Kaisertum der Westerinsel

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Kaisertum der Westerinsel
Flagge Westerinsel.png
Occidenti optimum.
Hauptstadt Occidentia
Amtssprache Latein
Staatsform Erbmonarchie
Regierungsform Konstitutionalismus
Staatsoberhaupt Kaiser Woodgrain Gerbil
Regierungschef Kaiser Woodgrain Gerbil
Wirtschaftliches
Wirtschaftsordnung Marktwirtschaft
Währung 1 Sesterz (Ꞩ) = 100 Lepta (ẜ)
Geografisches
Westerinsel politisch.png
Region Ost-Polynesien
Einwohnerzahl 178 Tsd.
Sonstiges
Kulturraum Abendländisch
Gründungsdatum 27. Juli 1722

Das Kaisertum der Westerinsel (oft einfach nur Westerinsel genannt) ist ein monarchistisch regierter Inselstaat im Ostpazifik. Etwa 3.600 Kilometer vor der südamerikanischen Westküste gelegen ist die Westerinsel nicht nur absolut isoliert, sondern auch noch stinkreich. Oberhaupt des Staates und zugleich Chef der Regierung ist der sagenumwobene Kaiser der Bleifußdynastie, Schreck der Rechtschreibverweigerer und Vorsitzender der Reinickendorfer Sezessionsbrigade Woodgrain Gerbil. Die Kultur ist stark geprägt durch den europäischen Hochadel, die Architektur besonders durch die griechische und römische Baukunst, sowie durch den Klassizismus.

Kultur

Muttersprachen Westerinsel.png

Der kulturelle Fundus der Westerinsel entspricht im Kern einer Art Mischmasch aus dem mitteleuropäischen Raum, da in der frühen Zeit der Kolonisation hauptsächlich Niederländer, später Franzosen und Deutsche die vorherrschenden Ethnien der Insel bildeten. Erst die Kultusreformen Judith Roggeveens und die vollständige Durchsetzung des Lateinischen in Sprache und Schrift durch Kaiser Latiniculus setzten den Prozess der Herausbildung einer eigenen Volkssprache in Gang. Bereits zehn Jahre nach den Latiniculanischen Reformen hatte sich eine eigene Sprachvarietät des Lateinischen ausgebildet – eine Art Dialekt – die seit 1764 offiziell den Namen Westerinsolanisch trägt und heute den allgemeinen Sprachgebrauch als Muttersprache dominiert. Selten finden sich noch französische und deutsche Muttersprachler. Das Niederländische ist seit den 1770ern dagegen nahezu vollständig von der Westerinsel verschwunden.

Geschichte

Für einen Staat, der erst im 18. Jahrhundert gegründet wurde, hat die Westerinsel schon mehr durchgemacht als so manch ein älterer. Die Gründung des Kaisertums geht auf die mythische Geschichte um die niederländischen Seefahrer Jakob (1694 – 1722) und Esau Roggeveen (1695 – 1722) zurück.

Gründungsmythos

Zeitleiste der Kaiser der Westerinsel

Diesem Mythos zufolge standen sich besagte Brüder – seit Menschengedenken Rivalen in jederlei hinsicht – erbittert gegenüber und sobald einer A sagte, musste der andere gleich Z sagen. Jakob war eher ein Mamakind, Esau eher ein Papakind. Jakob interessierten die schönen Künste, Esau die Wissenschaft. Und als die Beiden sich in ihrer Schulzeit für eine Fremdsprache entscheiden mussten, wählte Esau selbstverständlich Latein, weil es die Sprache der Wissenschaft war. Jakob dagegen verlor sich im Lesen der homerischen Epen, die in Altgriechisch verfasst wurden und so fiel seine Wahl auch zugunsten dessen aus. Am Ende der gemeinsamen Schulzeit stellte sich Esau als schulisch Besserer heraus und so musste Jakob Esaus unsäglichen Spott ertragen.

Innerhalb ihrer intensiven Rivalität entwickelten die beiden seltsame Ticks. Jakob zum Beispiel war kulturell extrem dem Orient hingezogen. Er liebte die Geschichten von den Persern und setzte all seine Bestrebungen auf komplett irrationale Weise mit der Himmelsrichtung Osten in Verbindung. Esau beargwöhnte das sehr, doch ehe er sich versah, tat er genau dasselbe; nur mit dem Abendland und der Himmelsrichtung Westen. Ziemliche Hirnis also.

Nach der absolvierten Schule schlugen die beiden gegensätzliche Richtungen ein. Jakob zog es zum Militär, genauer zur Marine, während es Esau in die Dienste der Niederlande verschlug. Anno 1721 schrieb sich der damals 27-jährige Esau für eine Expedition in die Südsee ein. Ziel war es, neues Land für die niederländische Krone zu gewinnen – und derjenige, der es schaffte, zuerst auf Land zu treffen, sollte eine dicke Prämie von satten 17.000 Gulden erhalten. Esau brauchte das Geld unbedingt, weil er davon träumte, an der Universität von Leiden die Naturwissenschaften zu studieren. Jakob bekam davon aber Wind und – angesichts seiner Erfahrung im Segeln – wollte er seinem Bruder zuvorkommen, um sich für den Spott aus ihrer gemeinsamen Schulzeit zu rächen. So zog Esau schließlich unter Begleitung seiner liebenswerten Ehefrau Judith und einer kleinen Truppe von 6-7 Leuten und dem Segelschiff Occidens los, um die Südsee unsicher zu machen; allerdings nicht ohne seinem Bruder Jakob Geld für einen letzten Holland-Döner abzuluchsen – eine damals aufkommende und sehr beliebte kulinarische Begegnung der dritten Art, die aus einem Teigfladen mit Salat, Käse, Spinat, Zwiebeln, Rotkohl, Hühnerfleisch und Haschischbröseln bestand. Ja, Haschisch. Diese Holländer...

Jakob, schwer erzürnt über die kleinkriminelle Unart seines Herren Bruders, stach noch am selben Abend mit dem Segelschiff Aithiopia in See, um seinen Bruder hart zu finden aus sicherer Entfernung zu verfolgen. Anfang des Jahres 1722 beschlich Esau an einer Zwischenstation, dem Hafen von Lissabon, das Gefühl, nicht allein zu sein. Der Verdacht bestätigte sich, als Esau, kurz nachdem die eigenen Segel zur Abfahrt gesetzt worden waren, ein kleines Segelschiff bemerkte, dass sich offenbar hinter einem Felsen im Meer versteckt hatte. Esau behielt das Schiff im Auge und als er bemerkte, dass es seiner Entdeckerbande folgte, zählte er 1&1 zusammen.

So folgte Jakob seinem Bruder bis nach Chile, wo sie die Nacht in einem Gasthaus am Hafen von Valdivia verbrachten. Esau, der die verfolgerischen Absichten seines Bruders seit längerer Zeit beobachtete, nutze Jakobs Irrglauben aus, bisher nicht entdeckt worden zu sein. In dieser Nacht schlich sich er sich auf Jakobs Segelschiff und klaute den schlafenden Seemännern – einschließlich Jakob – ihr ganzes Geld. Am nächsten Morgen war Jakob deswegen so abartig sauer, dass er fast Steine zerbeißen konnte und seinem Bruder unsägliche Schmerzen zufügen wollte. Die Verfolgung ging nun, erbitterter als zuvor, weiter. Am 17. Juli 1722 ging die jubelnde Besatzung des Segelschiffs Occidens schließlich an der Nordküste der Westerinsel, am heutigen Ufer der Kleinstadt Juliusfälle, vor Anker. Jakob und seine Truppe umschifften die Insel hingegen entlang der Süd- und Westseite und ließen sich in sicherem Abstande ein Stück nördlich des heute als Jakobsberg bekannten inaktiven Vulkans Ranu Kau nieder, wo sich heute die Hauptstadt Occidentia befindet. Innerhalb der nächsten knappen Woche suchte Esau nun jede Nacht die ganze Insel nach seinem Bruder Jakob ab. In der Nacht vom 19. zum 20. Juli 1722 gelang Esau nun ein Geniestreich: Er schaffte es, das Lager Jakobs und seiner Leute der gesamten Käse- und Haschischvorräte zu berauben. Sie rollten ihre ganzen Vorräte in ihr eigenes Lager und feierten eine dicke Party mit Gouda, Freude und vielen geröteten Augen. Die Party war über die ganze Insel zu hören und als Jakob schließlich wach wurde und bemerkte, dass Esau ihm wieder ein Schnippchen schlug, platzte ihm die Hutschnur entgültig. Als die Party vorbei war und alle schliefen, schlich sich Jakob, nun nicht mehr ganz bei Verstand, ins feindliche Lager und nahm Rache. Er betrat Esaus Zelt und nahm seinen schlafenden Bruder in der Schwitzkasten und noch ehe Esau bemerkte, was los war, spannte Jakob ein einziges Mal seine durch den Militärdienst gestählten Armmuskeln an und bescherte seinem Bruder damit einen erstklassigen Genickbruch. Esau war damit offiziell Vollmitglied im Club der toten Seefahrer.

Jakob Roggeveen (1719)

Jakob wurde in den folgenden Minuten nun klar, was er da gerade eigentlich angerichtet hatte. Er hatte nicht nur eine Ehe zerstört, sondern seinen eigenen Bruder getötet. Und ungeachtet der lebenslangen Rivalität war Esau irgendwie immer das Element in Jakobs Leben, das ihm einen Sinn zu Existieren hab; denn obgleich der lebenslangen Fehde hatte er ihn irgendwie doch lieb – er war schließlich sein Bruder. Jakob würde sich nie wieder im Spiegel anschauen können – und das wusste er. Für ihn stand nun fest, was er tun würde. Er würde seine eigene Mannschaft und die seines Bruders versammeln, ein Kaisertum zu Esaus Ehren ausrufen und seine Schwägerin Judith Roggeveen zur Herrscherin über selbiges bestimmen. Und so verfasste Jakob einen Brief, der alles erklären sollte und legte ihn neben die schlafende, unwissende Witwe. Die Mannschaften versammelte er ohne Judith aufzuwecken und weihte die Matrosen ein. Anschließend ging Jakob den heute nach ihm benannten Jakobsweg zu den Klippen des Ranu Kau und sprang in den Freitod. Welch eine rührende Geschichte.


Judith wachte des Morgens also allein im Zelt auf, las den Brief, brach zusammen und musste in ihrem Zustand überwältigender Trauer eine Verfassung für ihren neuen Staat aushecken. Wahrlich kein schöner Morgen. Die Insel wurde von Judith schließlich Westerinselgetauft, weil die Insel an Ostern zwar entdeckt wurde, aber Esau bereits in den letzten Stunden seines Lebens der Name wegen des Namensbetandteils "Ost-" bitter aufstieß.

Die Ära Judith Roggeveens (1722 - 1737)

Kaiserin Judith kurz nach ihrer Thronbesteigung

In den kommenden fünfzehn Jahren regierte Kaiserin Judith mit eiserner Faust. Hauptaufgabe ihrer Politik war es, eine Kultur zu begründen und Leute auf die Insel zu holen; denn mit etwa 20 holländischen Seefahrern kann man keinen Staat führen. Sie entsandte deshalb eine Delegation nach Europa, um Leute davon zu überzeugen, die Südseeinsel zu bevölkern – mit mäßigem Erfolg. Erst, als sie persönlich nach Europa zurückreiste gelang es ihr, Leute aus dem deutschen und französischen Kleinadel mit schicken Anziehsachen auf die Insel zu locken, mit denen sie sich gleich edler vorkamen, denn ein "von" im Namen zu haben bedeutete damals jetzt auch nicht unbedingt viel. Zwar mehr als heute, aber egaaal.

Diese Vertreter des Kleinadels bildeten nun also das Fundament für die kommenden Adelsgeschlechter. Weil sich die Deutschen und die Franzosen aber nicht unbedingt verstanden (wie das nun mal so ist), gab's dauernd Keile. Außerdem entbrannte ein Streit darüber, ob jetzt nun Deutsch oder Französisch Volkssprache werden sollte, denn Latein sprechen ist nicht wirklich leicht. Also wurde abgestimmt. Da etwa 60% der Bevölkerung (damals bestand die Gesamtbevölkerung nur aus etwa 800 Leuten) hauptsächlich Deutsch sprach, dürft ihr auch dreimal raten, welche Sprache zur Volkssprache gewählt wurde. Die Franzosen fanden das Ergebnis dieser Wahl so zum Rückwärtsessen, dass viele wieder nach Frankreich abwanderten. Schön blöd, wenn man bedenkt, wie es damals 60 Jahre später dem französischen Adel ergehen sollte. Aber woher soll man das auch ahnen? Hauptsächlich geprägt wurde der Kulturfundus durch die Vorlieben des toten Esau. Das bedeutet: Graeco-romanischer Baustil, Latein als Amtssprache und Benennung der Straßen und Plätze nach wichtigen Kapazitäten der Wissenschaften. Der ulkigste Part war aber der, dass Judith mit dem Edikt vom 26. Januar 1734 veranlasste, sämtliche von der indigenen Bevölkerung geschaffenen Steinstatuen (Moais) so drehen zu lassen, dass sie nach Westen schauten. Das tun sie auch bis heute. Die Moais sind seitdem Siegelfigur.

Kaiser Latiniculus (1737 - 1761)

Latiniculus, gemalt von Tacitus Polybius

Nach fünfzehn Jahren der Herrschens verlor sich Judith in ihrem Hobby des Gärtnerns und wollte das nun in Vollzeit tun. Deshalb machte sie 1737 ihren Platz frei. Da sie keine Kinder hatte, wurde der neue Kaiser gewählt und die Wahl fiel auf den dänischen Philologen Hennes Jensensen, der damals nur auf die Insel kam, weil die Amtssprache dort Latein war und er die Sprache voll knorke fand. Weil die arme Judith aber nur Französisch und Niederländisch richtig konnte, fiel es ihr auffallend schwer, Latein zu schreiben – geschweige denn zu sprechen. Jensensen, dieser Sprachenjunkie, konnte dagegen Dänisch, Deutsch, Latein, Französisch und sogar das mexikanische Nahuatl nicht nur schreiben, sondern auch fließend sprechen. Da es also keine Schwierigkeiten für ihn gab, zementierte er das Lateinische entgültig als administrative Sprache ein. Genannt wurde er von seinem Volk deshalb – teils lieb gemeint, teils spöttisch – Latiniculus. Seinen Sohn Carl ließ er sogar nachträglich zu Carolingus umtaufen, der auch der nächste Kaiser wurde, nachdem Jensensen im Jahre 1761 im Suppensee im Osten der Insel qualvoll ertrank.

Puppentheater und der Aufstieg der Westerinsel (1761 - 1801)

Güntelbert als preußischer Offizier

Carolingus war sehr zart besaitet und brach bei der kleinsten Streiterei in Tränen aus. Dem gebürtigen Preußen Güntelbert Freiherr zu Allenstein, genannt Günni, war das nicht disziplinär genug und so forderte er Kaiser Carolingus anno 1763 zu einem Schwertkampf heraus, den er ohne Mühe gewann. Des öffentlichen Frieden wegen ließ er die Bevölkerung allerdings im Irrglauben, dass Carolingus zwar noch am Leben, aber schwer an einer chronischen Kehlkopfentzündung erkrankt sei, die es ihm nicht mehr erlaubte normal zu sprechen. Güntelbert spielte den gütigen Botschafter, der den vermeintlichen Willen des Carolingus verkündete. Durch eine Reform der Infrastruktur unter Carolingus' Namen kam der Bevölkerung die Herrschaft aber auf einmal erstaunlich gut im Vergleich zu früher vor; deshalb kamen bald die ersten Vermutungen auf, die ein Jahr später von Günni bestätigt wurden.

Weil er sich als Kaiser im Schlafrock eigentlich ganz gut machte, ließ das Volk ihn weiterherrschen. Und so regierte Güntelbert, genannt der Mannschnitter, die kommenden 37 Jahre als gütiger, aber resoluter, Kaiser über die Westerinsel. Unter seiner Herrschaft florierte das bisschen Wirtschaft, das sich auf der Westerinsel damals befand, und lockte immer mehr Leute auf die Insel. Nach 20 Jahren seiner Herrschaft hatte sich die Bevölkerung nahezu verdreifacht. Später kamen noch viele Menschen aus dem europäischen Hochadel auf die Insel, weil sie Angst vor den revolutionären Vorgängen in ihrer Heimat hatten. 1796 ließ er die Kaiserliche Degenschar der Westerinsel (KaDeWe) gründen, aus dem sich die Land- und Seestreitkraft des Staates entwickelte.

Bereits fünf Jahre nach seinem offiziellen Amtsantritt Ende 1764 kamen diverse Gerüchte um den Kaiser auf. Man munkelte, er habe nie ein Schachspiel verloren und er sei an den mythischen Rechtschreibkriegen auf Seiten der, damals als Fractio Orthographiae bekannten, Fraktion der vehementen Rechtschreibverteidiger (FvR) beteiligt. Heute sind sich die Historiker sicher, dass beide Gerüchte die Wahrheit waren, ersteres aber nur daran lag, dass er nie im Leben Schach gespielt hatte.

Die Ära vom Berge (1801 - 1832)

Der alte Heilmar mit einem Glas Fusel – sehet wie verschmitzt er lächelt!

Im Alter von 74 Jahren verschied der kinderlose Günni nach seinen 38 Jahren der gefeierten Herrschaft anno 1801 schließlich nach einigen Wochen urplötzlicher extremer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes an einer Nervenkrankheit. Über viele Jahre hinweg konnte die genaue Todesursache nicht geklärt werden. Früher wurde ein Schlaganfall angenommen, während heute angenommen wird, er starb an einem Glioblastom – einer Geschwulst im Stützgewebe des Gehirns, die selbst nach heutigem Stand der Medizin nicht geheilt werden kann.

Zum neuen Kaiser gewählt wurde Heilmar vom Berge, der erste Kaiser, der auf der Insel geboren und aufgewachsen war. Er entstammt einem relativ unbedeutenden Adelsgeschlecht aus dem Karpatenraum, genauer aus Bistritz. Politische Gegner sponnen wegen seiner Abstammung immer wieder Diffamierungen zusammen, die eine mögliche Verwandtschaft Heilmars mit dem gefürchteten Geschlecht der Familie von Transnistrien suggerierten, bisher aber nie bewiesen werden konnten. Heilmar war bei seinem Amtsantritt bereits 48 Jahre alt.

Seine Herrschaft war von einer außerordentlichen Milde geprägt, die von seinen Verehrern als zeitgenössische Verwirklichung der caesarischen Clementia angepriesen wurde. Leuten niederen Standes, die sich ob ihrer schlechten Lebensumstände beim Staat verschuldet hatten, gewährte er des Öfteren einen Schuldenschnitt und bewahrte im Bezug auf die in Europa entbrannte Französische Revolution immer einen kühlen Kopf, gewährte den geflohenen Adligen auch temporäres Asyl. Da er sich als Erster unter Gleichen präsentierte, entwickelte die Bevölkerung der Westerinsel eine beinahe kollegiale Beziehung zu ihrem alten Heilmar. So widmeten sie ihm ein Volkslied über ihren geliebten Kaiser, den Cantus Heilmarensis. Ein Laster wurde dem alten Heilmar allerdings nachgesagt – und zwar, dass er eine Schwäche für alkoholische Getränke hatte; allen voran Wein. Gelegentlich fiel er deshalb mal ein Wochenende komplett aus, weil er doch etwas zu hart gefeiert hatte und in der Folge seinem alten Erzfeind, den Fuselölen, entgegentreten musste.

Hera Justyna vom Berge (1820)

Achtzehn Jahre lang währte die Milde des alten Heilmar, bis er im Alter von 66 Jahren – im Zuge der Spätfolgen seines Trinkverhaltens – körperlich und geistig nicht mehr zum Regieren fähig war. Im Jahre 1819 gab er damit sein Amt als Kaiser der Insel an seine Tochter Hera Justyna vom Berge, genannt Justine die Strenge, die für ihren kompromisslosen Geschäftssinn und rigoros-autoritäres Handeln bereits zu Amtszeiten ihres Herrn Vaters bekannt war, weiter. Bereits innerhalb des ersten Jahres ihrer Herrschaft krempelte sie das Rechtssystem der Westerinsel komplett um, indem sie die bis dahin auf der Westerinsel verbreiteten Geschworenengerichte zugunsten der Schöffengerichte abschaffen ließ, weil sie die allgemeine Bevölkerung in der damaligen Wirre des Weltgeschehens durch die Industrialisierung Europas für nicht genügend zurechnungsfähig erachtete, um Gerichtsurteile mitentscheiden zu dürfen.

Beim Volk der Westerinsel machte sie sich deshalb schnell unbeliebt. So musste sich Justine Gedanken machen, wie sie das Volk am Besten wieder auf ihre Seite bekommen konnte – und das geht am Besten mit eingehaltenen Versprechen. Justine leistete den wagemutigen Schwur, in den nächsten fünf Jahren den Gegenwert des Westerinsel-Sesterzes zu verdoppeln, oder sie würde Abdanken und zusätzlich ihre Tochter Julia von der Thronfolge entbinden, auf dass nie jemand aus ihrer Blutlinie jemals wieder Schande über das Land bringen möge. Das machte Eindruck bei den Bürgern der Insel. Und dann kam das wirtschaftliche Genie der Kaiserin Justine zum Vorschein.

Sie veranlasste, ein gewaltiges Touristenresort südöstlich der Hauptstadt Occidentia errichten zu lassen, um dem damaligen Andrang der reisewütigen Europäer jedes einzelne Quäntchen wertvollen Geldes abspenstig zu machen. Als zweites ließ sie die steinernen Moais, die sie Ureinwohner der Insel geschaffen hatten, in mehreren riesigen Kraftakten strategisch an attraktiven Orten aufstellen, kurz bevor sie die im Volksmund als "Gaffer-Steuer" bekannte Abgabe über das Stieren auf Kulturgut des Kaisertums einführte. Danach konnten alle Touristen zur Kasse gebeten werden, wenn sie dabei erwischt wurden, Moais länger als drei Sekunden ohne Unterbrechung angeschaut zu haben. Sollte das dann doch passiert sein, kostete das den gemeinen Touristen jedes Mal 45 Sesterze. Besaß der Tourist oder die Touristin nicht genügend Geld, durfte er die Insel solange nicht verlassen, bis dass sein Zehnt entrichtet ward.

Zu diesem Anlass wurden die Völkerwerke südwestlich der Hauptstadt gegründet, wo sich die verschuldeten Touristen temporär eintragen konnten, um ihre Schulden abzuarbeiten. Unschön formuliert handelte es sich dabei um freundlich verpackte, an Zuchthausstrafen erinnernde, Zwangsarbeit. Das brachte der Konjunktur schon mal einen ziemlichen Aufschwung, doch den Zenit ihrer wirtschaftlichen Übertaktung der Westerinsel erreichte die Kaiserin mit der Eröffnung der Vulkanminen nordöstlich der Stadt. Dabei handelte es sich um den Völkerwerken zugehörige Stollen, in denen nicht nur Touristen ihre Schulden abarbeiten konnten, sondern auch die sich zunehmend in Europa herauskristallisierende Arbeiterschicht, die der regelrechten Versklavung in ihrer Heimat entkommen wollte und sich auf der Westerinsel ein besseren Leben erhofften, Erze aus dem basaltlastigen Dreck kratzen konnten.

Die Minen erwiesen sich als ausnehmend ergiebig. Vor allem Eisen war wegen der nicht weit abgelegenen ehemaligen Stätte des Vulkanismus (die annähernd dreieckige Insel wird in jeder Ecke von inaktiven Vulkanen geschmückt) des Berges Terevaka in Hülle und Fülle vorhanden, da die früheren magmatischen Ströme das metallreiche Erdmantelgestein regelrecht mit nach oben rissen, wo es schließlich als vulkanische Gesteinsmasse erkaltete. Dieser immense Eisenvorrat brachte die Wunder der Industrialisierung nun auch auf die Westerinsel. Die Völkerwerke setzten auf Schwerindustrie und wurden zum Gesicht des zunehmend als Exportnation bekannten Kaisertums.

Hauptsächlich wurden kleine Unternehmen in Südamerika damit beliefert. Die Wirtschaft explodierte in der Folge nicht nur, es schoss sie förmlich bis zum Mond, sodass der Lebensstandard auf der Insel sich in den drei Jahren seit dem Amtsantritt der Kaiserin nicht nur wie versprochen verdoppelte, sondern nahezu vervierfachte. Die kommenden Jahre waren von Zuzug aus Übersee geprägt, während die Konjunktur kontinuierlich anstieg. Erst mit dem 1832 einsetzenden ersten Westerinsel-Rosenkrieg sollten der Boom und auch die Schaffensperiode Kaiserin Justines ihr Ende finden.

Erster Westerinsel-Rosenkrieg (1832)

Julia, Tochter Kaiserin Justines

Julia vom Berge, Tochter der Kaiserin und damit Prinzessin der Westerinsel, war eine zierliche kleine Maus, die sich Mitte des Jahres 1832 in ihrem 19. Lebensjahr befand und sich derart mit diesem ganzen kitschigen Prinzessinnenkram angefreundet hatte, dass sie eigentlich gar keine Regierungsverantwortung übernehmen und lieber den ganzen Tag vorm Spiegel sitzen und sich die Haare kämmen wollte. Ihre resolute Frau Mutter, die gute Kaiserin Justine, hielt ihre Tochter infolgedessen für einen Nichtsnutz und so gerieten die beiden regelmäßig in Konflikte. Die Kaiserin hatte nämlich nur eine Tochter und somit war sie die einzige legitime Thronfolgerin, wenn die Herrschaft des Hauses vom Berge fortbestehen sollte.

Romeo nach einem schlechten Morgenkaffee

In einer ähnlichen Bredouille fand sich der Großindustrielle Gustel von Griesgram. Sein Name war Programm und auch er hatte einen Sohn, der keine Verantwortung übernehmen wollte – den Traumtänzer, Lyrikfetischisten und Leierspieler Romeo. Gustel war Vorsitzender der völkerwerkseigenen Griesgram Glaswerke-Gesellschaft (GGG) und besaß damit faktisch Monopolgewalt über Prozesse der Glasschmelze, Glasverarbeitung und über den Glas- und Fensterbau, verdiente auf diese Weise also ein HEIDELGEEERD Heidengeld. Nun war es so, dass Gustel es am liebsten war, würden die Glaswerke in den Händen seiner Blutlinie bleiben und so sollte Romeo besagten Industrieverband eines Tages übernehmen. Romeo jedoch war fest davon überzeugt, ein geborener Musiker zu sein, obgleich sein Leierspiel dem Geräusch von heiseren Rindern und ungebändigten Grundschulklassen näher kam, als er bereit war zuzugeben. Am 10. August 1832 entbrannte erneut der Streit zwischen Vater und Sohn; mit der Konsequenz, dass Romeo seine Sachen packte, um in die Oberstadt von Occidentia zu verschwinden. Die Oberstadt galt als Treffpunkt der Schöngeister und Künstler der Stadt. Doch als Romeo wild entschlossen seine Leier malträtierte, schälte es den Oberstädtern sinnbildlich die Haare vom Kopf. Romeo wurde regelrecht aus den Gärten der Oberstadt gejagt. Komplett desillusioniert und niedergeschlagen kehrte er letzten Endes des Abends in einem Gasthof am Rande der als Gallenstein-Hain bekannten Gartenanlage ein, um die Nacht hinter sich zu bringen. Nach Stunden des Winselns fand er schließlich einen unruhigen Schlaf, der durchsetzt war von wirren Träumen, in denen immer wieder eine bildhübsche junge Dame mit braunen Haaren und Handspiegel auftauchte und ihm zuflüsterte, er solle den Palast aufsuchen und der Kaiserin vorspielen.

So kam es, dass der Romeo früh am Morgen seine Reise zum Palast der Westerinsel antrat, um dem Auftrag der Frau aus seinen Träumen nachzukommen, die ihn fortan keinen klaren Gedanken mehr fassen ließ. Gegen Mittag betrat er das Palastgelände und bat um eine Audienz, die ihm letzten Endes am Abend des selben Tages gewährt wurde. Als letzter Bittgesuch wurde er in den Thronsaal gerufen, in dem die werte Kaiserin Justine, streng und gefasst wie sie war, jedoch etwas schläfrig und gelangweilt auf dem schmucken Stuhl saß und eigentlich nur noch ins Bett wollte. Dann begann Romeo mit seinem Leierspiel. Nun ist es so: Es gibt Musik, die wirklich schön klingt. Dann gibt es wieder Musik, die man weniger gut findet. Und dann gibt es Romeos Leierspiel: Es gibt wirklich wenige Naturkatastrophen, die dem Zerstörungspotential Romeos Leierspiels das Wasser reichen können. Es ist, als würden alle Mächte, die die Welt im Innersten zusammenhalten einen wirklich schmerzhaften Wadenkrampf erleiden. Die Kaiserin schrie und wand sich auf dem Thron unter entsetzlicher Qual und flehte Romeo unter Tränen an, mit seinem Klingklang des Satans aufzuhören, kurz bevor sie die Wachen anwies, diesen Gemeingefährlichen des Palastes zu verweisen.

Gerade als die Wachen den unfreiwilligen Peiniger ergriffen, stürmte das Mädchen aus seinen Träumen zu ihm – es war Julia, die Tochter der Kaiserin. Sie fiel vor ihrer Mutter nieder mit der Bitte, ihn in den Hofstaat aufzunehmen, weil er der Mann ihrer Träume sei und sich das Leben nehmen würde, wenn er ohne Heim und Herd auf den Straßen Occidentias hungernd und elendig verscheiden müsste. Die Kaiserin tat das schmalzige Geseier ihrer Tochter schroff ab und ließ Romeo aus dem Palast werfen, dass er nie wieder auch nur einen Fuß in die Nähe der Kaiserin setzte.

Noch in derselben Nacht fiel Romeo dem Affekt des Trotzes anheim und er schlich an den Wachen vorbei auf den Palasthof – ein Vorhaben, das vorher niemandem jemals geglückt war. Und nun kommen wir zum clichéelastigen Teil der Geschichte. Romeo begann, kleine Kieselsteine, die er vom Boden des Hofes aufsammelte, gegen Julias Fenster zu werfen. Sie schien das leise Klopfen an der Scheibe nicht zu hören und so musste er zu härterem Kaliber greifen. Aus den Kieselsteinen wurden kleine Bröckchen. Normale Fenster wären dabei schon kaputt gegangen, aber die Fenster waren Griesgram-Qualitätsware aus den Glaswerken seines Vaters. Das Ende vom Lied war, dass Romeo die Scheibe mit einem Klinkerstein einschmeißen musste und damit die Hälfte des Hofstaates auf spektakulärste Art und Weise aus ihrem trägen Schlafe riss – so auch Julia. Sie sprang aus dem Fenster und schlug wenige Zentimeter neben Romeo auf den Schotterboden auf. Die Prinzessin mit der krummen Nase war jetzt bewusstlos und so musste Romeo sie sich über die Schulter legen, um mit ihr abzuhauen.

Den Palastwachen entging das laute Scheppern der Scheiben – wie soll es auch sonst sein – nicht. Binnen weniger Sekunden ward Romeo umstellt. Doch dann griff er zu seiner Leier und setzte die Angehörigen der Garde einer inhumanen Marter aus, die sie kurzzeitig außer Gefecht setzte und ihm die Möglichkeit gab, mit Julia dem Palaste zu entkommen. Da Julia durch den Sturz große Schrammen und Beulen davontrug, erkannte man sie nicht, als Romeo mit ihr wieder im Gasthof am Gallenstein-Hain einkehrte. Da die Bürgerpolizei von Occidentia ob des Prinzessinnenraubes der Ermittlung gegen Romeo von Grießgram verpflichtet war, musste das Pärchen aus der Stadt fliehen; und so taten sie es auch. Sie flohen bis ins Hochland im äußersten Osten der Insel, wo wirklich niemand wohnt und heirateten dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf dem Gipfel des Puakatike, einem der drei Vulkane der Insel.

Da Romeo ein Mann war und Männern in diesen chauvinistischen Zeiten die Thronfolge eher zustand als dem niederen Weyb, wurde Romeo durch die Trauung mit Julia zum offiziellen Thronfolger der Westerinsel und genoss damit quasi politische Immunität. Die frisch Vermählten kamen zurück nach Occidentia. Des Nachts durchschritten sie die Stadttore und stellten erschrocken fest, dass absolute Totenstille herrschte, trotzdem in vielen Häusern noch Licht brannte. Gerade als sie in die Straße Hafenbahn einbogen, sahen sie, dass mehrere Häuser in Flammen standen und eine Meute von Menschen sich offenbar schlug. Die frisch Verheirateten bogen sofort in eine andere Straße ein und versteckten sich in einem Hauseingang. Plötzlich flüsterte ihnen jemand zu, sie mögen mitkommen. Beim herunterschielen fiel den beiden eine Gestalt auf, die in eine schwarze Kutte gehüllt war und mit einer Kommt-mal-mit-und-zwar-schnell-aber-nicht-so-auffällig-Handbewegung die beiden zu gerade genannter Tätigkeit aufforderte. Verdutzt schauten sich beide an. Angesichts der offenbar unnormalen Umstände taten sie aber wie ihnen geheißen. Der Kuttentyp führte Romeo und Julia durch die dunklen Gassen der Jakobsvorstadt und führte beide schließlich in eine kleine und schlecht beleuchtete Kneipe. Romeo kannte sie, da sein Vater dort oft saufen ging.

Gustel von Griesgram, ein echter Sympath.

Dort offenbarte Kutten-Karl, wie er sich nannte, den beiden, was in ihrer Abwesenheit passiert war: Es war ein voll ausgeprägter Bürgerkrieg entbrannt. Romeos Leierspiel ließ Kaiserin Justine im Laufe der Nächte zunehmend ihren Verstand verlieren. In der Folge gab es keinen zurechnungsfähigen Herrscher mehr, da Romeo und Julia ja beide verschwunden waren. Während die Kaiserin also in ihrem Schlafgemach unfähig zu allem vor sich hinwimmerte, erlangte Romeos Vater, bekannter Gustel von Griesgram, die Macht über die revolutionäre Bewegung, die die vorzeitige Abdankung der Kaiserin ob ihrer schlechten geistigen Konstitution forderte. Nicht alle aber stimmten dieser wildgewordenen Meute zu, da Kaiserin Justine viel für das Land getan hatte. Konfliktsituationen, wie auf der Hafenbahn waren also vorprogrammiert. Richtiges Chaos, so erzählte Kutten-Karl, bräche aber erst dann aus, wenn rauskäme, dass das Thronfolgerpaar wieder aufgetaucht sei. Gustel, der in dieser Revolution, deren Oberhaupt er faktisch geworden war, die Möglichkeit zur Usurpation der Kaiserin sah, gefiele das nämlich gar nicht. Gut sei es deshalb, dass Kutten-Karl die beiden gefunden habe, bevor ihnen etwas zustieß, meinte er. Kutten-Karls Mund verschob sich zu einem seltsamen Lächeln, bevor er den beiden von einem sicheren Schlafplatz berichtete, der sich im Keller dieser Kneipe befand. Und so betteten sich die Beiden im Keller zwischen Bierfässern und Rattenkäckerli. Und gerade als Romeo und Julia sich in eine sehr rauhe Filzdecke kuschelten, schlug Kutten-Karl die offenbar bereits angesägte Stütze eines 150-Liter-Bierfasses mit einem Hammer durch, welches augenblicklich die beiden frisch Verheirateten unter sich begrub. Plottwist: Kutten-Karl war nämlich Gustel, Romeos Vater. Nun, da er seine beiden größten Hindernisse aus dem Wege geräumt hatte, stürmte er noch in derselben Nacht mit einer Schar aus 2.500 Männern die Palastanlage und riss die Krone an sich, kurz nachdem er Kaiserin Justine aus dem Fenster werfen ließ. Offiziell stand am nächsten Tag in der Zeitung, es sei ein Unfall gewesen. Somit begann das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Westerinsel – unter der Herrschaft von Gustel von Griesgram.

Fortsetzung folgt...